WUHRPLATZ
Ein "Baumchirurg" hat die Gesundheit der Kastanienbäume geprüft Armin
Leuenberger Dienstagmorgen, kurz vor zehn Uhr, trifft sich Langenthals
Werkhofchef Hanspeter Zingg beim Wuhrplatz mit einem graumelierten, sportlichen
Herrn. Ausgerüstet ist dieser mit einem modernen Alukoffer. Sein Inhalt:
Mess- und Bohrgeräte sowie eine Kamera. Seine Aufgabe: Prüfen des Gesundheitszustandes
der alten Kastanienbäume auf dem Wuhrplatz. Eine Massnahme, die sich aufdrängt,
nachdem am Nachmittag des 8. Mai ein Kastanienbaum auf den Pétanqueplatz
umgestürzt ist. Klaus Woodtli von der Firma Woodtli Baumpflege AG in Bern
macht sich zusammen mit Zingg an die Arbeit.
Standsicherheit und Bruchsicherheit der Krone wird geprüft. Der Experte
sieht vieles schon beim Betrachten des Baumes. Erste wichtige Informationen
liefert bereits die Farbe der Blätter. Fotos werden gemacht. Mit dem Resistografen
wird der Stamm vermessen und auf seine Stand- und Bruchsicherheit geprüft.
Es folgen Klopfproben und wenn nötig auch Bohrproben mit dem Zuwachsbohrer.
Ähnlich wie in einem Käsekeller bei der Qualitätsprobe des Emmentalers.
Aufatmen bei Zingg: Nach ersten Erkenntnissen von Klaus Woodtli ist der
Zustand der vier Bäume nicht allzu alarmierend. Einen verbindlichen Befund
liefert dann allerdings erst der schriftliche und ausführliche Bericht
von Klaus Woodtli.
Zwei der Kastanienbäume scheinen relativ gesund zu sein, ein Abholzen
steht nicht zur Diskussion. Der Zustand des mittleren der drei am nördlichen
Rand des Pétanqueplatzes stehenden Bäume ist am schlimmsten. Aber auch
dessen Leben kann mittels Verringern seines Gewichts, das heisst Schneiden
von einigen schweren Ästen, verlängert werden. Noch unsicher ist der Zustand
des Baumes in unmittelbarer Nähe des Geschäftes von Pietro Fornara. Hier
dauert denn auch die Probe etwas länger, und der Zuwachsbohrer kommt zur
Anwendung. Das erste Fazit, welches Klaus Woodtli danach zieht: "Die Notwendigkeit
einer dringenden Fällung ist nicht gegeben." Auf den ersten Blick kann
angenommen werden, dass keiner der vier Kastanienbäume unmittelbar verschwinden
muss.
Wir machen uns die Sache nach dem Vorfall vom 8. Mai nicht leicht", sagt
Hanspeter Zingg, der Verantwortliche für Werkhof und Gärtnerei bei der
Stadt Langenthal. "Mit der Firma Woodtli haben wir einen landesweit anerkannten
Baumprüfer als Fachperson beigezogen, dessen Entscheide von niemandem
angefochten werden." So sei die ganze Sache neutral. Aufgrund von Woodtlis
Beobachtungen und Messungen sind die vier grossen Bäume auf dem Wuhrplatz
zwischen 70 und 80 Jahre alt. Die zahlreichen sichtbaren Wurzeln an der
Oberfläche lassen darauf schliessen, dass in tieferen Schichten wenig
Kies, dafür eher lehmiger Untergrund vorhanden ist, sodass die Wurzeln
stark in die Breite gehen, was eine Schwächung der Standhaftigkeit zur
Folge hat.
Bis Ende Juni wird dann der "Baumchirurg" - heute heisst er Baumpflegespezialist
mit eidgenössischem Fachausweis - zuhanden des Werkmeisters einen detaillierten
Bericht über den Gesundheitszustand der vier ältesten Kastanienbäume auf
dem Wuhrplatz abliefern. Aufgrund dieses Ergebnisses muss dann entschieden
werden, ob noch einer oder gar mehrere dieser prächtigen Bäume gefällt
werden müssen. Hanspeter Zingg wird nach eingehender Prüfung der Stadtverwaltung
einen entsprechenden Antrag stellen. Die letzte Instanz betreffend Fällen
oder nicht Fällen liegt dann beim Stadtpräsidenten Hans-Jürg Käser. Auf
Herz und Nieren prüfen Klaus Woodtli nimmt die Kastanienbäume auf dem
Wuhrplatz genau unter die Lupe.
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