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Beobachter; 15.09.2006 Patrick Strub
Wild wuchern die Gesetze

Wer einen Baum pflanzen oder fällen will, muss sich durch einen Urwald von Vorschriften kämpfen. Ein exemplarischer Fall ­ und wie man den Weg durchs Dickicht bewältigt.

Seeblick», so heisst ein kleines Chalet am idyllischen Sonnenhang oberhalb des Zürichsees. Nennen wir den fiktiven Besitzer des ebenso erfundenen Hauses Robert Hauser. Noch vor nicht allzu langer Zeit war der Name seines Chalets auch Programm. Bis er vor acht Jahren auf dem Grundstück vor seiner Liegenschaft einen neuen Nachbarn erhielt; nennen wir diesen Stefan Baumeler. Der pflanzte vier Birken in seinem Garten ­ nur fünf Meter von der gemeinsamen Grenze entfernt. Anfangs empfand Robert Hauser das Grün als Bereicherung. Doch dann wuchsen die Bäume über die Höhe seines Gartensitzplatzes hinaus. Die Seesicht kann Hauser seither nur noch erahnen. Er will, dass Baumeler die vier Bäume fällt.

Den Nachbarn jedoch kümmerts wenig, denn seine Aussicht wird nicht behindert. Der Bitte von Hauser kommt er nicht nach: Die Birken stünden jetzt schon acht Jahre lang in seinem Garten. Zu Hausers Leidwesen ist Baumeler im Recht: Im Kanton Zürich verjährt der Anspruch auf Beseitigung von Bäumen, die zu nahe an der Grenze stehen, fünf Jahre nach deren Pflanzung. Obwohl die Birken den kantonal vorgeschriebenen Mindestgrenzabstand von acht Metern unterschreiten, ist Hauser heute also machtlos.

Anders sähe es aus, wenn er im Nachbarkanton Aargau wohnen würde: Sechs Meter beträgt dort der Mindestgrenzabstand für Bäume. Eine Verjährungsfrist kennt das Aargauer Gesetz nicht, ebenso wenig Appenzell Innerrhoden. Trotzdem erginge es Robert Hauser dort nicht besser mit seinem Nachbarschaftsstreit: In Innerrhoden ist der Mindestgrenzabstand, selbst für hochstämmige Bäume, auf nur vier Meter festgelegt (siehe «Der Kantönligeist im Detail»).

Die abgeschnittenen Äste als Lohn
Im Dickicht des Kantönligeists lassen sich aber auch einige gesamtschweizerische Gesetzesäste eruieren. Das Kapp- und das Anriesrecht beispielsweise sind national geregelt: Sie schreiben vor, wie man mit Wurzeln und Ästen, die aus Nachbars Garten auf den eigenen Grund und Boden wuchern, umzugehen hat. Würde Robert Hauser beispielsweise durch Baumelers Pflanzen bei der Durchfahrt auf dem eigenen Grundstück behindert, so könnte er vom Nachbarn verlangen, dass er das Grün an der Grenze kappt. Dabei ist eine Frist anzusetzen, die gemäss Gesetz angemessen sein muss. Bliebe Baumeler untätig, so dürfte Hauser nach Ablauf der Frist selber zur Schere greifen. Als «Lohn» für die Arbeit könnte er, so besagt es das Kapprecht, lediglich die abgehackten Äste behalten. Kommt dazu, dass die Bäume die Seesicht auch nach dem Kappen immer noch verdecken würden. Trost kann Hauser auch das sogenannte Anriesrecht nicht wirklich bieten: Es erlaubt, dass ein Grundstücksbesitzer Früchte von den Ästen, die über seinem Boden wachsen, ernten darf. Bei einer Birke erübrigt sich das.

Selbst wenn das Kapp- und das Anriesrecht gesamtschweizerisch gelten, so haben sich auch da Kantönliverästelungen gebildet: Das Zivilgesetzbuch (ZGB) erlaubt den Kantonen, ergänzende oder abweichende Bestimmungen zu erlassen. In Obwalden dürfen daher beispielsweise Obstbäume überhaupt nicht gekappt werden. Geradezu einem Urwald von Vorschriften begegnet, wer ergänzend zum ZGB das öffentliche Recht von Kantonen und Gemeinden betrachtet ­ und das ist im Einzelfall empfehlenswert. Im Kanton Basel-Stadt etwa können Bäume geschützt werden. Für das Fällen solcher Exemplare ­ aber auch für das Kappen, das die Lebensfähigkeit des Baumes gefährdet ­ muss eine Bewilligung eingeholt werden. Thomas Oberle, Jurist beim Hauseigen-tümerverband Schweiz, rät: «Am besten wendet man sich an die Gemeindeverwaltung. Die weiss, ob überhaupt Bestimmungen zum Schutz von Bäumen bestehen und ob die fraglichen Bäume unter Schutz gestellt wurden. Das sollte immer abgeklärt werden, selbst wenn es nur um eine Kappung geht, denn bei Zuwiderhandlung kann es eine Busse absetzen.»

Bäume und deren Besitzer, so macht es den Eindruck, haben das Gesetz auf ihrer Seite. Heisst das für Robert Hauser aus unserem Beispiel, dass er die Birken klaglos hinnehmen muss? Ja und nein. Auf Bundesebene existiert eine nachbarrechtliche Bestimmung, die für alle Kantone gleichermassen gilt: Gemäss Artikel 684 ZGB ist jeder Eigentümer verpflichtet, sich aller übermässiger Einwirkungen auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten ­ auch Aussichtsentzug kann eine übermässige Einwirkung darstellen. Aber die Gerichte urteilen erfahrungsgemäss nur zugunsten des Klägers, wenn eine Störung massiv ist.

Hauser hätte darum geringe Erfolgsaussichten mit einer Klage, die sich auf das Zivilgesetzbuch stützt. So bleibt ihm nur die Hoffnung auf den Herbst, wenn die Birkenblätter fallen und die Seesicht wieder frei wird.

Der Kantönligeist im Detail

Verjährungsfrist
Die meisten Kantone haben die nachbarlichen Grenzabstandsvorschriften in ihren Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch geregelt (Ausnahme Kanton Thurgau: Dort gilt das Gesetz über Flur und Garten). Darin sind oft auch Verjährungsfristen für entsprechende Klagen bestimmt. Viele Kantone haben diese auf fünf Jahre ab Pflanzung festgelegt. Im gesetzlichen Wildwuchs sind aber die unterschiedlichsten Fristen anzutreffen: von zwei (Obwalden) bis hin zu 30 Jahren (Genf). In diversen Kantonen kennt man gar keine Verjährung. Aufgepasst: Die Verjährungsfrist wird erst durch Klageeinleitung ­ in der Regel beim Friedensrichter ­ gewahrt. Den Nachbarn bloss schriftlich aufzufordern, zu nahe stehende Bäume zu beseitigen, reicht deshalb nicht!

Grenzabstand
In vielen Kantonen liegt der minimale Grenzabstand für hochstämmige Bäume bei sechs Metern. Aber auch hier kommt alles vor: von (theoretischen) null Metern (Thurgau; wobei die Pflanze bis zu einem Abstand von zehn Metern höchstens doppelt so hoch wie entfernt sein darf) über exakte 4,2 Meter (Glarus) bis hin zu acht Metern (Zug und Zürich). Bei besonderer Bewirtschaftung (zum Beispiel Rebland oder Wald) kommen vielerorts spezielle Grenzabstände zur Anwendung. Ebenso entscheidend ist die Art der Bepflanzung: Obstbäume etwa dürfen meist etwas näher an die Grenze als andere hochstämmige Bäume. Kleinere Bäume und Sträucher können in vielen Kantonen bis auf einen halben Meter an die Grenze herangesetzt werden, wobei sie dann meist regelmässig zu stutzen sind. Eine umfassende Übersicht ist angesichts der 26 unterschiedlichen kantonalen Regelungen unmöglich. Auf www.beobachter.ch/info finden Sie die Links zu sämtlichen Einführungsgesetzen.






 


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