Jahr für Jahr richtet falscher Baumschnitt Millionenschäden an. Dies
schätzt der Spiezer Baumexperte Beat Henzelmann. Auch in der Region Thun
werden viele Bäume falsch geschnitten, zum Beispiel in Heimberg.
«Ich bin erschrocken, als ich die verstümmelten Bäume sah.» Baumpflegespezialist
Beat Henzelmann spricht von 17 Platanen, die auf dem Parkplatzgelände
von Carrefour in Heimberg stehen. Die rund 35 Jahre alten Bäume sind diesen
Winter radikal zurückgeschnitten worden. «Der Kappschnitt hat sie bis
zu 90 Prozent ihrer Kronen beraubt», stellt der ausgewiesene Experte fest.
Tatsächlich sind kaum mehr feine Zweige an den Bäumen zu sehen. Was übrig
ist, gleicht eher verrenkten Skulpturen.
Stress für den Baum
Beat Henzelmann erklärt: «Die feinen Zweige sind für einen Baum überaus
wichtig. Nur an diesen wächst das lebenswichtige Laub. Einem Baum sollten
somit nicht mehr als maximal dreissig Prozent der potenziellen Blattmasse
entfernt werden. Ist der Rückschnitt stärker, bringt man den Baum in extremen
Stress.» Für den Neuaustrieb müsse der Baum seine Reserven anzapfen, erläutert
der Experte: «Zudem versucht er den Verlust möglichst schnell mit starkem
Wachstum auszugleichen. Diese Stressreaktion wird oft fälschlicherweise
mit guter Vitalität verwechselt. In Wirklichkeit ist es eine absolute
Notreaktion.»
Viele Beispiele
Jeden Winter trifft der Inhaber der in Spiez ansässigen Firma Henzelmann’s
Baumpflege auf zahlreiche vergleichbare Beispiele kleineren und grösseren
Ausmasses auf privaten wie öffentlichen Arealen. «Schweizweit werden durch
unsachgemässen Baumschnitt jährlich Schäden in Millionenhöhe verursacht»,
schätzt der Experte.
«Das Verflixte», meint er, sei der Umstand, dass sich Fehler beim Baumschnitt
oft erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten auswirkten. Denn es bleibt
nicht allein bei der Stressreaktion des Baumes nach dem radikalen Rückschnitt.
Jede Astabnahme bedeutet eine Wunde, die der Baum biologisch abschotten
muss. «Sind die entfernten Äste zu dick, werden Verletzungen zu Eingangspforten
für den Pilz.»
Fäulnis breitet sich allmählich im Baum aus und kann ihn instabil und
hohl machen. Bei Wind und Wetter können nun grössere Äste oder Kronenteile
ausbrechen. Sogar der ganze Baum kann umstürzen. Eine grosse Gefahr an
Orten, wo Menschen und Sachwerte darunterkommen könnten. «Genau das, was
man mit dem Baumschnitt sehr oft vermeiden will, tritt ein», folgert Henzelmann.
«Vieles wird also in guter Absicht ausgeführt», betont er, «aber aus Unwissen
falsch gemacht.»
«Wir sind erschrocken»
So auch in Heimberg. Erschrocken sind daher auch die Verantwortlichen
von Carrefour, nachdem sie von Baumpflegespezialisten über die Konsequenzen
des unsachgemässen Baumschnitts auf ihrem Areal aufgeklärt worden sind.
Ökologie und Landschaftsästhetik seien für ihn wichtige Anliegen, sagt
Roland de Villeplée, Geschäftsführer von Carrefour Heimberg. Um im Herbst
jeweils weniger Aufwand mit dem abfallenden Herbstlaub zu haben und gleichzeitig
mit dem Ziel der Erhaltung der Bäume habe er den Auftrag erteilt, die
17 Platanen zurückzuschneiden.
Nun ist es indessen gut möglich, dass die Bäume in einigen Jahren gefällt
werden müssen, weil sie infolge Fäulnis instabil werden.
«Wir haben viel gelernt»
Trotzdem nimmt die Geschichte ein gutes Ende: «Wir haben aus diesem Fall
viel gelernt», sagt Roland de Villeplée. «Ich weiss nun vieles mehr über
Bäume.» Künftig will er sich von Baumpflegespezialisten beraten lassen.
Auch Michel Donath, Mediensprecher von Carrefour Schweiz, will dahingehend
Informationsarbeit leisten, dass Carrefour Schweiz in Zukunft mit Baumpflegeexperten
zusammenarbeitet.
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