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SonntagsZeitung; 13.01.2008 VON HUBERTUS BREUER
Wenn die Bäume in den Himmel wachsen

Steve Sillett erforscht, weshalb Redwoods mehr als 110 Meter hoch werden

Der Humboldt Redwoods State Park ist kein gewöhnlicher Park. «Von den 147 grössten Bäumen der Welt – jeder höher als 107 Meter – stehen hier allein 100», erzählt Steve Sillett, während er auf einem schmalen Pfad durch den Urwald marschiert. Der Botaniker von der Humboldt State University kennt die Baumriesen wie kein anderer; sein Lehrstuhl widmet sich explizit der Erforschung der welthöchsten Bäume.

Einst bedeckten die Redwoods die Pazifikküste von San Francisco bis nach Oregon. Manche von ihnen sind über 2000 Jahre alt, mit Durchmessern bis zu sieben Metern. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Pio nie re, den Bestand abzuholzen. Nur in einigen Parks hat ein Rest Wildnis überlebt

So beeindruckend die Baumgiganten sind: Biologen wussten bis vor wenigen Jahren kaum etwas über sie. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Kronen ihre ersten Äste mitunter erst in 75 Meter Höhe ausbreiten. Vor allem die oberen Etagen der Sequoia sempervirens, wie die Redwoods wissenschaftlich heissen, waren bis vor kurzem praktisch unerforscht – bis Sillett und andere Wissenschaftler begannen, dieses Niemandsland zwischen Himmel und Erde zu erkunden

Die Wasserleitung legt die Maximalhöhe der Bäume fest
In einer Schwemmlandebene des Humboldt-Parks ragt stolz ein Küstenmammutbaum namens Paradox auf. Der Stamm sticht wie eine Nadel in den Himmel und misst trotz geringem Stamm umfang 112 Meter. Hoch genug, um ein 30-stöckiges Haus zu überragen

Sillett hangelt sich an einem Seil ins Kronenge strüpp des Rotholzriesen hoch. Dort oben ist ein Computer fixiert, der die Daten von über einem Dutzend Sensoren sammelt, die den Wasserfluss unter der Borke, den Lichteinfall, Niederschlag, Wind und Nebel messen

Es ist ungewohnt still. Man hört Wassertropfen, einen Ast knacken – und das rauschende Walkie- Talkie, mit dem Sillett mit seiner inmitten von Schwertfarnen stehenden Mitarbeiterin und Ehefrau Marie Antoine am Fuss von Paradox kommuniziert. Das Ziel des akrobatischen Forscher-Duos ist es, zu verstehen, wie die Baumriesen solch Schwindel erregende Höhen erobern

In den ersten 20 Lebensjahren schiesst ein Küstenmammutbaum spielend 15 Meter hoch. Am Ende seiner Jugend – mit 800 Jahren – kann er gut 100 Meter messen. Vor drei Jahren stellte Sillett mit Kollegen in einer in «Nature» publizierten Studie fest, dass die Wasserleitung die maximale Baumhöhe limitiert: Je höher, desto schwerer fällt es, die Äste und Blätter in den oberen Etagen täglich gegen die Schwerkraft und Reibungskräfte mit Flüssigkeit zu versorgen. Die Forscher schlossen, die maximale Höhe für Bäume läge bei 122 bis 130 Metern. Die höchsten bekannten Rothölzer kommen der theoretisch errechneten Obergrenze bereits ziemlich nahe. Erst 2006 entdeckten mit Sillett befreundete Redwood- Liebhaber bei einem Streifzug durch den Redwood National Park in einer unzugänglichen Schlucht die drei derzeit höchsten Bäume der Welt. Sie schätzten die Höhe zunächst mit einem Lasergerät ab; Sillett bestieg sie wenige Tage später, um vom obersten Trieb ein Massband herabzulassen: Hyperion brachte es auf 115 Meter, Helios auf 114 und Ikarus auf 113 Meter.

In den höchsten Wipfeln leben selbst Salamander und Krebse
Das Dach der Redwoods war lange Zeit eine unerreichbare Sphäre. Zwar entdeckten Biologen bereits in den Achtzigerjahren mit Hilfe von Heissluftballons, Luftschiffen und Seilen die artenreichen Kronen der Regenwälder. In Mitteleuropa und Amerika begannen Forscher Mitte der Neunzigerjahre zudem, Gerüste, Hebebühnen und Kräne zu nutzen. Doch selbst der inmitten von Schierlingstannen und Douglasien platzierte, 86 Meter hohe Kran des Wind River Canopy Projects der Washington State University reicht nicht in die höchsten Regionen – und sein Radius ist eingeschränkt. «Um den Urwald zu erforschen», sagt Sillett, «müssen wir in der Lage sein, auf jeden Baum, in jede Höhe zu klettern.»Dieses Ziel setzte sich Sillett, als er 1995 eine Professur an der Humboldt State University in Arcata nördlich des Humboldt State Parks antrat. Er entwickelte die von Arboristen – Experten für Baumpflege – genutzten Klettertechniken weiter, um die entlegensten Baumregionen der Welt zu betreten – und erste wissenschaftliche Studien über sie zu veröffentlichen.

Was er dort entdeckte, war nicht die oft prognostizierte Wipfelödnis. Salamander, Grillen, Tausendfüssler, Schnecken und selbst winzige Ruderfusskrebse hausen im Waldobergeschoss. In mancher Astgabel spriessen aus der Erde über Jahrzehnte verrotteter Äste und Nadeln Heidelbeer- und Holundersträucher und Bonsaiausgaben etlicher Baumarten. Auch Moose und Flechten finden sich.

Dabei lernten Sillett und Kollegen, dass es Hunderte Jahre dauert, bis sich die Artenvielfalt in den Redwoods voll ausbildet. Bei den heute angepflanzten Setzlingen rings um den Park, sagt Marie Antoine, wird es 200 Jahre dauern, bis manche Flechten in den Kronen auftauchen. «Bis zur Fülle des Altbestands darf man getrost bis ins Jahr 2800 warten.»

Wird eine Baumspitze von einem Blitz getroffen, von einem Sturm abgebrochen, oder fackelt sie in einem Feuer ab, bildet der Küsten-Redwood in der Regel neue Triebe. Diese entwickeln sich über Jahrhunderte wiederum zu Stämmen. So verfügt Iluvatar – ein beleibter, vermutlich über 2000-jähriger Methusalem im Prairie Creek Redwood State Park – über 209 Stämme, die aus Haupt- und Nebenstämmen vertikal in die Höhe streben. Alle dicht behangen mit Flechten, Moosen, Sträuchern und Reisig, als befände man sich im Unterholz.

Wachstum wird durch erhöhte CO2-Werte kaum begünstigt
Das spielt mit eine Rolle für das Höhenwachstum. Denn mit dem Dickicht nimmt die Zahl der Nadeln zu – und die helfen den Redwoods, mehr Wasser mit Mammutkraft in die Höhe zu transportieren. Das geschieht einerseits durch den Unterdruck, den das durch die Nadeln verdunstende Wasser im inneren Leitungssystem erzeugt. Andererseits absorbieren die Nadeln Wasser direkt aus dem Küstennebel, der im Sommer die Wälder verhüllt.

Mancher Baum hat gar besondere Tricks in petto. Ein Redwood namens Federation Giant trägt in über 90 Meter Höhe einen verfaulenden Hauptstamm. Das Wasser, das ihn entlang in den lebenden Stamm sickert, nehmen jüngere Triebe direkt und über ins morsche Material gebohrte Luftwurzeln auf.

Mancher Baum hat gar besondere Tricks in petto. Ein Redwood namens Federation Giant trägt in über 90 Meter Höhe einen verfaulenden Hauptstamm. Das Wasser, das ihn entlang in den lebenden Stamm sickert, nehmen jüngere Triebe direkt und über ins morsche Material gebohrte Luftwurzeln auf

Nachdem sich Sillett von Paradox abgeseilt hat, geht er mit Antoine durch den antiken Redwood- Tempel zum nächsten Studienobjekt. Sie steigen über bemooste Stammsäulen, die wie Mikadostäbe übereinander gestürzt am Boden liegen. «Der Klimawandel », meint Sillett, «könnte die einzigartige Insel durchaus aus dem Gleichgewicht werfen – wenn der von der Küste hereintreibende Regen und Nebel nachlässt. Die Bäume brauchen bis zu tausend Liter Wasser pro Tag.» Als er vor einem zerfurchten, wohl an die 2000 Jahre alten Koloss namens Bull Creek Giant steht, fügt er kopfschüttelnd hinzu: «Aber was rede ich. Diese Kreaturen haben schon so vieles überlebt.»

Bäumige Rekorde

Grösster Baum: Hyperion, ein Küsten-Redwood (Sequoia sempervirens) in Nordkalifornien; Höhe: 115,5 Meter.

Massivster Baum: General Sherman Tree, ein Sierra-Redwood (Sequoiadendron giganteum) in Kalifornien; Höhe: 84 Meter, Umfang: 31 Meter, Volumen: 1486 Kubikmeter.

Ältester Baum: Methuselah, eine fast 5000 Jahre alte Grannenkiefer in Kalifornien.

Dickster Baum der Schweiz: vermutlich eine Kastanie bei Chironico, Umfang: 11,6 Meter

Grösster Baum der Schweiz: nicht bekannt; vermutlich eine Fichte mit einer Höhe von 50 bis 60 Metern


 

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