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Limmattaler Tagblatt / MLZ; 27.06.2009

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Serie WSL (6)

Wer ist Schuld am Föhrensterben?

Sind Insekten oder die Trockenheit mitbeteiligt an der Veränderung der Landschaft?

Insektenforscher Beat Wermelinger von der WSL untersucht seit Jahren intensiv, welche Rolle rindenbrütende Insekten beim Föhrensterben im Wallis spielen. Oder ist es eher die Trockenheit?

Flavio Fuoli

Beat Wermelinger, Jahrgang 1957, ist Biologe ETH. Seit 1991 leitet er an der WSL in Birmensdorf die Gruppe Ökologie der Waldinsekten, die zur Forschungseinheit Walddynamik gehört. Seit Jahren befasst er sich unter anderem mit der Frage, welche Rolle rindenbrütende Insekten beim Föhrensterben im Wallis spielen. Dabei kommen auch Einrichtungen zum Einsatz, welche die Beobachtungen im Feld teils ersetzen.

Der Insektenforscher untersucht zusammen mit einem kleinen Team, welche Insekten beim Föhrensterben eine Rolle spielen und welche nicht. Dabei stellte er im Gewächshaus so genannte Schlupfkästen auf, in die er Stammstücke und Astabschnitte von Föhren verschiedener Verlichtungsgrade steckte. Die Forscher fragten sich: Wie war die Vitalität des Baumes, als ihn das Insekt befiel.

200 Bäume ausgebrütet

«Über vier Jahre lang fällten wir 200 Bäume und brüteten Teile von ihnen in diesen Kästen aus. Wir konnten so für jede Insektenart bestimmen, wie der Verlichtungsgrad als Mass für die Vitalität war, als die Insekten ihre Eier am Baum abgelegt hatten.» Zum Beispiel der Zimmermannsbock: Wermelinger und sein Team fanden heraus, dass die Verlichtung der Krone bereits 70 bis 80 Prozent betragen muss, bevor ein Weibchen ihre Eier an den Baum legt. Das heisst also: Ein Bockkäfer befällt nicht gesunde Bäume. Bei vielen anderen Käfern ist das ähnlich. Beim Nagekäfer hingegen ist es anders: Dieser besiedelt bei jeder prozentualen Verlichtung den Baum, lebt aber nur in der toten Borke. Diese Arten, so fand Wermelinger heraus, sind nicht aggressiv, sie befallen keine lebendigen, sondern nur absterbende oder tote Bäume.

Es gibt aber auch Ausnahmen. So der Blaue Föhrenprachtkäfer und der Sechszähnige Föhrenborkenkäfer. Bei ihnen konnte man beobachten, dass sie bereits bei Kronenverlichtungen ab 30 Prozent die Bäume befallen. Zu diesem Zeitpunkt hat ein Baum noch sehr viele Nadeln, sieht fast noch gesund aus. Doch sein Abwehrsystem ist bereits geschwächt, er leidet unter Wassermangel. «Diese Arten sind auch für leicht angeschlagene Bäume gefährlich, zum Beispiel bei Trockenheit. Da nimmt die Harzproduktion des Baumes ab, sonst würden die Käfer nämlich darin stecken bleiben», so Wermelinger.

Die Käfer sind also am Absterben eines Baumes mitbeteiligt, sind meistens aber nicht der auslösende Faktor, wenn eine Föhre kränkelt, zum Beispiel nach einer monatelangen Trockenheit. «Die Niederschläge haben nicht unbedingt abgenommen», so Wermelinger, «aber weil die Wärme zugenommen hat, verdunstet der Baum mehr Wasser, sodass er unter Trockenheit leidet. Das bringt die Föhre an die Grenze ihrer Lebensfähigkeit. Im Wallis ist dies der Hauptauslöser für den Befall durch Käfer, andere Insekten und Pilze.»

Die Temperatur spiele eine wichtige Rolle. So stimme das starke Besiedeln der Bäume durch den Föhrenprachtkäfer im Hitzejahr 2003 mit dem Verlauf des Trockenheitsindex überein. Käfer seien nicht Ursache des Föhrensterbens, sondern eine mehr oder weniger aggressive Begleiterscheinung. So sei auch die Anzahl heisser Tage in Visp zwischen 1980 und 2005 klar im Steigen begriffen, Tendenz zunehmend.

Die Föhre bekommt auch Konkurrenz durch die Flaumeiche. Diese wurde früher von den Ziegen abgefressen und zurückgehalten. Wermelinger rät davon ab, Pestizide oder ähnliches auszubringen, zumal der Einsatz von Chemikalien im Wald in der Schweiz grundsätzlich verboten ist. Man müsse sich damit abfinden, dass die Flaumeiche die Föhre verdrängt, zumindest in tiefer gelegenen Lagen. Der Föhrenwald ist im Wallis denn mehrheitlich ein wichtiges Landschaftselement, in dem vielfältige Pflanzen und Tiere leben, und weniger ein Nutzwald von grosser wirtschaftlicher Bedeutung, so Wermelinger.

Vivian und Lothar erforschen

Wermelinger bearbeitet mit seinem Team natürlich auch andere Themen. Die beiden grossen Stürme Vivian (1990) und Lothar (1999) waren Grossprojekte an der WSL. Über Jahrzehnte hinweg wollen die Forscher erfahren, wie sich die Insektenpopulation in den sich wieder regenerierenden Sturmflächen entwickeln. Dafür schieden die Wissenschafter in Zusammenarbeit mit den kantonalen Forstdiensten und den jeweiligen Waldeigentümern in den Alpen (Vivian) und im Mittelland (Lothar) je drei Versuchsorte aus. Dort stellten sie Insektenfallen auf.

Für Vivian untersuchte man die Jahre 1991, 1992, 1994, 1996, 2000 und 2009. Bei Lothar sind es die Jahre 2000, 2001, 2004 und 2010. «Der erste Aspekt war der Borkenkäfer. Dort, wo Sturmholz liegen blieb, erreichte er bereits nach zwei Jahren sein Maximum. Danach schwand die Population. Die Käfer mussten sich auf die Suche nach geschwächten Bäumen machen.» Nach dem Borkenkäfer seien im toten Holz die Prachtkäfer aufgetaucht, mindestens fünf Jahre lang. Die Bockkäfer schliesslich sind nach zwanzig Jahren immer noch im liegenden Totholz auf den Versuchsflächen anzutreffen. Ebenso wie andere Arten aus der roten Liste. Diese profitieren vom stark vermoderten Holz, einem sehr artenreichen Lebensraum. «Im Wald findet man Pracht- und Bockkäfer kaum, sondern vorwiegend auf den Sturmflächen. Dort finden sie Wärme, Sonne und durch die dort wachsenden Blütenpflanzen auch Pollen vor», erklärt Wermelinger. «Die Artenvielfalt ist viel grösser als im intakten Wald.»

Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Wald, Schnee, Landschaft) ist in Birmensdorf beheimatet. Die Bundeseinrichtung, die zum ETH-Bereich gehört, wird häufig bei Gefahren für die Umwelt und Fragen zur landschaftlichen Entwicklung zu Rate gezogen. Wer steckt hinter den Forschungen, was genau tut sich in Birmensdorf, wer unter den 400 Forschenden tut was? Die LiZ will im Rahmen einer Jahresserie diesen Fragen nachgehen. Bisher erschienen: Forschung für die Praxis im Wald, Vernetzungen für Tier und Mensch, Auswirkungen der Immissionen auf den Wald, Wald und Psychologie sowie invasive Neophyten. (fuo)


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